Abstract
Antonio Gramsci setzte sich Zeit seines Lebens wenig mit den politischen Vorgängen Österreichs auseinander. Seine posthum veröffentlichten Schriften hatten zudem einen vergleichsweise geringen Einfluss auf die politische Landschaft Österreichs links der Mitte. Dessen ungeachtet nimmt das folgende Interview
mit dem ehemaligen KPÖ-Vorsitzenden Walter Baier einige Berührungspunkte und Bezugnahmen zwischen Gramsci und der österreichischen Linken im Verlauf des zwanzigsten Jahrhunderts in den Blick. Diese Berührungspunkte umfassen 1) Gramscis Aufenthalt in Wien 1923-1924 sowie sein kritisches Verhältnis zum Austromarxismus in philosophischer und politischer Hinsicht; 2) den peripheren Einfluss von Gramscis Denken auf den vorgezogenen Eurokommunismus in der KPÖ zwischen 1965 und 1969, der vor allem dem Wirken von Franz Marek geschuldet ist; 3) die Anfang der 1980er Jahre erfolgte marxistisch-leninistische Gramsci-Rezeption seitens der KPÖ-Führung, die als Abwehrversuch gegenüber heterodoxen MarxismusInterpretationen innerhalb und außerhalb der eigenen Partei intendiert war; 4) sowie die mögliche Bedeutung Gramscis für einen integralen Sozialismus im Sinne Otto Bauers, verstanden als revolutionärtransformatisches Projekt für das beginnende einundzwanzigste Jahrhundert.
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